Stel­lung­nah­me des Rad­fem Kol­lek­tiv Ber­lin zur Aus­la­dung im Rah­men des Inter­es­sens­be­kun­dungs­ver­fah­rens zum “Aktions­plan Que­er Leben”, 04.03.2023

7. Mrz 2023

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Seit Jah­ren sehen sich femi­nis­ti­sche Grup­pen mit der aggres­si­ven und anhal­ten­den For­de­rung kon­fron­tiert, alle Men­schen, die Unter­drü­ckung oder Dis­kri­mi­nie­rung erfah­ren, ein­zu­be­zie­hen. Die­se For­de­rung kommt nicht nur von ande­ren poli­tisch ori­en­tier­ten Grup­pen, son­dern auch von pri­va­ten und staat­li­chen Insti­tu­tio­nen, die ver­schie­de­ne For­men der poli­ti­schen Zusam­men­ar­beit und finan­zi­el­len Unter­stüt­zung bereit­stel­len. Das Orga­ni­sie­ren nur für und mit Frau­en und Les­ben wird als Bigot­te­rie stig­ma­ti­siert, wobei “Frau” selbst zu einem Unwort wird; Femi­nis­tin­nen, die auf frau­en­zen­trier­te Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zi­pi­en bestehen, wer­den per­ma­nent dämo­ni­siert und geäch­tet. Was wir jetzt mit unse­rer Ableh­nung des Que­er Leben Akti­ons­plans erle­ben, ist ein gutes Bei­spiel für eine patri­ar­cha­le Umkehrung.

Inklu­si­on ist eine not­wen­di­ge Per­spek­ti­ve. Wir müs­sen die Bedürf­nis­se und Geschich­ten, Unter­schie­de und Hier­ar­chien zwi­schen Frau­en ver­ste­hen, wenn wir uns orga­ni­sie­ren. Die Wor­te der­je­ni­gen Frau­en unter uns, deren Stim­men nicht aus der domi­nie­ren­den Mehr­heit kom­men, soll­ten unbe­dingt gehört wer­den. Wir soll­ten Frau­en nicht aus­gren­zen und dämo­ni­sie­ren, wenn sie nicht mit der Mehr­heit über­ein­stim­men. Wir den­ken aller­dings, dass die­ser Gedan­ke der Inklu­si­on als Waf­fe gegen bestimm­te Femi­nis­tin­nen ein­ge­setzt wurde.

Radi­ka­le und les­bi­sche Femi­nis­tin­nen beschäf­ti­gen sich seit lan­gem mit Ana­ly­sen aller Aspek­te der Sexua­li­tät in unse­ren hete­ro-bezo­ge­nen Gesell­schaf­ten unter männ­li­cher Herr­schaft. Dass sich die män­ner­zen­trier­te Sicht­wei­se in der aktu­el­len Wel­le der pro­gres­siv pro­pa­gier­ten Que­er-Poli­tik und ihrem Kern­the­ma, der Geschlechts­iden­ti­tät, fort­setzt, über­rascht uns daher nicht. Femi­nis­tin­nen, die eine radi­ka­le und les­bisch-femi­nis­ti­sche Kri­tik der Geschlechts­iden­ti­tät ver­tre­ten, wer­den aggres­siv aus­ge­grenzt, und die­se Aus­gren­zung wird weit­hin akzep­tiert und sogar pro­pa­giert. Wie­der und wie­der wur­de uns gesagt, dass das que­e­re Ver­ständ­nis von Geschlecht und Sexua­li­tät eine fort­schritt­li­che und wei­ter­ent­wi­ckel­te Ver­si­on der radi­kal­fe­mi­nis­ti­schen Ana­ly­se die­ser The­men ist, aber wir sind uns sehr wohl bewusst, dass Fort­schritt nicht line­ar ver­läuft und männ­li­che Herr­schaft als kon­ti­nu­ier­li­cher Back­lash gegen das, was Femi­nis­tin­nen auf­zei­gen und durch­set­zen, funktioniert.

Die Ableh­nung der Betei­li­gung des Rad­Fem Kol­lek­tivs Ber­lin am Aktions­plan Que­er Leben geht ein­her mit der weit ver­brei­te­ten poli­ti­schen Aus­gren­zung von radi­ka­len und les­bi­schen Femi­nis­tin­nen. Die an auto­no­me femi­nis­ti­sche Grup­pen gerich­te­te For­de­rung nach Inklu­si­on ver­wan­delt sich in einen Akt der Exklu­si­on sei­tens einer Insti­tu­ti­on mit rea­ler poli­ti­scher Macht. Wir ver­ste­hen die­se poli­ti­sche Stra­te­gie der Aus­gren­zung radi­ka­ler und les­bi­scher Femi­nis­tin­nen als anti­fe­mi­nis­tisch und anti-lesbisch.

 

State­ment of the Rad­fem Kol­lek­tiv Ber­lin on the exclu­si­on from the call for par­ti­ci­pa­ti­on in the “Aktions­plan Que­er Leben” (Que­er Life Action Plan), 04.03.23

For years, femi­nist groups have been con­fron­ted with the aggres­si­ve and per­sis­tent demand to be inclu­si­ve of all peo­p­le who expe­ri­ence oppres­si­on or dis­cri­mi­na­ti­on. This demand comes not only from other poli­ti­cal­ly-ori­en­ted groups, but also from both pri­va­te and sta­te-affi­lia­ted insti­tu­ti­ons that pro­vi­de various forms of poli­ti­cal col­la­bo­ra­ti­on and finan­cial sup­port. Women-only and les­bi­an-only orga­ni­zing is stig­ma­ti­zed as bigo­try, with “woman” its­elf beco­ming a dir­ty word; femi­nists who insist on fema­le-cen­tric orga­ni­zing prin­ci­ples are con­ti­nuous­ly demo­ni­zed and ost­ra­ci­zed. What we wit­ness now with our rejec­tion from the Que­er Leben Akti­on Plan is a good exam­p­le of a patri­ar­chal reversal.

Inclu­si­on is a nee­ded per­spec­ti­ve. We need to under­stand the needs and his­to­ries, dif­fe­ren­ces and hier­ar­chies within women while orga­ni­zing. It should be important to hear the words of the women among us, who­se voices are not from the domi­nant crowd. We shouldn’t ost­ra­ci­ze and demo­ni­ze women becau­se they don’t agree with the majo­ri­ty. Yet, we belie­ve this idea of inclu­si­on has been used as a wea­pon against cer­tain feminists.

Radi­cal and les­bi­an femi­nists have long been busy with ana­ly­ses of all aspects of sexua­li­ty in our hete­ro-rela­tio­nal socie­ties under male domi­na­ti­on. The­r­e­fo­re we are not sur­pri­sed that the male-cen­te­red view con­ti­nues in the cur­rent wave of pro­gres­si­ve­ly-adver­ti­sed que­er poli­tics and its para­mount issue, gen­der iden­ti­ty. Femi­nists hol­ding a radi­cal and les­bi­an femi­nist cri­tique of gen­der iden­ti­ty are sub­jec­ted to an aggres­si­ve exclu­si­on, and this exclu­si­on is wide­ly accept­ed and even pro­mo­ted. We’ve been told time and time again that the que­er under­stan­ding of sex and sexua­li­ty is a pro­gres­sed and evol­ved ver­si­on of radi­cal femi­nist ana­ly­sis of the­se, but we are well awa­re that pro­gress is not line­ar, and male domi­na­ti­on func­tions as a con­ti­nuous back­lash against what femi­nists reve­al and achieve.

We obser­ve the rejec­tion of Rad­Fem Kol­lek­tiv Berlin’s col­la­bo­ra­ti­on in the Que­er Leben Akti­on Plan in par­al­lel to this wide­spread poli­ti­cal exclu­si­on of radi­cal and les­bi­an femi­nists. The demand for inclu­si­on direc­ted at auto­no­mous femi­nist groups turns into an act of exclu­si­on by an insti­tu­ti­on with real poli­ti­cal power. We under­stand this poli­ti­cal stra­tegy of radi­cal and les­bi­an femi­nist exclu­si­on as anti-femi­nist and anti-lesbian.

 

Stel­lung­nah­me des Rad­fem Kol­lek­tiv Ber­lin zur Aus­la­dung im Rah­men des Inter­es­sens­be­kun­dungs­ver­fah­rens zum “Aktions­plan Que­er Leben”

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