Der Aktions­plan „Que­er Leben“ und Les­bi­sche Mütter

9. Dez 2022

Zu unse­rer Stel­lung­nah­me zum „Aktions­plan Que­er Leben“ füh­ren wir unse­re Posi­tio­nen zum The­ma Abstam­mungs- und Fami­li­en­recht und zur Repro­duk­ti­ons­me­di­zin wei­ter aus.

Vie­le von uns sind Müt­ter und/oder Les­ben. Alle sind wir Töch­ter einer Mut­ter. Es ist uns daher bewusst, dass Müt­ter und vor allem les­bi­sche Müt­ter struk­tu­rell benach­tei­ligt und stig­ma­ti­siert wer­den. Als Radi­kal­fe­mi­nis­tin­nen füh­ren wir die­se Benach­tei­li­gung auf das patri­ar­cha­le Stamm- und Vater­recht zurück, das dem Vater eine bevor­zug­te Posi­ti­on des Stamm­hal­ters in Form von Besitz­rech­ten über Mut­ter und Kind zusi­chert – ins­be­son­de­re wenn das Eltern­paar ver­hei­ra­tet ist. Die­ses Besitz­recht gilt auch, wenn der Vater nicht mit der Mut­ter eines Kin­des ver­hei­ra­tet ist.

Ein Vater kann Zugriff auf ein Kind verlangen:

  • selbst, wenn er als rei­ner Erzeu­ger über eine Samen­spen­de fun­giert hatte.
  • selbst, wenn das Kind durch Ver­ge­wal­ti­gung ent­stan­den ist.
  • selbst, wenn die Mut­ter den Vater in der Geburts­ur­kun­de nicht ange­ge­ben hat.
  • selbst, wenn die Mut­ter geteil­tes Sor­ge­recht ver­wei­gert hatte.
  • selbst, wenn der Vater sich erst vie­le Jah­re nach Geburt mel­det und kei­ne Bezie­hung zum Kind auf­ge­baut hat.

Das heißt: Wir haben ein star­kes Vater­recht in unse­rer Gesetz­ge­bung ver­an­kert, das zulas­ten von Mut­ter und Kind geht und dem Vater als rei­nem Erzeu­ger zusteht. Die­ses Recht hin­dert eine Mut­ter und ihr Kind dar­an, sich aus einer gewalt­tä­ti­gen und miss­bräuch­li­chen Bezie­hung zu befrei­en. Als ver­län­ger­ter und erwei­ter­ter Arm der Gewalt des Vaters üben Ämter und Gerich­te insti­tu­tio­nel­le Gewalt auf Mut­ter und Kind nach einer Tren­nung aus.

Zusätz­lich fin­det in dem Aktions­plan kei­ne kla­re Defi­ni­ti­on von Geschlecht statt. Statt­des­sen wird Geschlecht und Geschlechts­ste­reo­typ bzw. selbst defi­nier­te „Geschlechts­iden­ti­tät“ ver­mischt. Das geht zulas­ten der geschlechts­be­ding­ten Rech­te von Frau­en, Müt­tern und Les­ben, die durch die UN-Frauen­rechts­konvention CEDAW zuge­si­chert sind und zulas­ten der Rech­te von Kindern.

Wird das Abstam­mungs- und Fami­li­en­recht so ver­än­dert, dass ihm eine selbst defi­nier­te „Geschlechts­iden­ti­tät“ statt Geschlecht zugrun­de liegt, kann ein Mann und Vater sich als Frau und Mut­ter ein­tra­gen las­sen – auch in die Geburts­ur­kun­de sei­ner Kin­der – und Mut­ter­schutz­rech­te bean­spru­chen. Dies ver­letzt die Rech­te von Mut­ter und Kind.

Wird das Fami­li­en­recht auf bis zu vier Per­so­nen erwei­tert, wird auch hier die Mut­ter beson­ders benach­tei­ligt wer­den, wenn sie sich aus einem toxi­schen Bezie­hungs­ge­flecht befrei­en möch­te mit bei­spiels­wei­se 3 Män­nern, von denen 2 sich womög­lich zur Frau und Mut­ter erklären.

Bevor also eine Geset­zes­än­de­rung am Abstam­mungs- und Fami­li­en­recht vor­ge­nom­men wird, die wirk­lich Müt­tern und Les­ben zugu­te käme,

  • müs­sen die frau­en­feind­li­chen Geschlechts­iden­ti­täts­ge­set­ze gestri­chen werden.
  • muss die kör­per­lich-mate­ri­el­le Rea­li­tät in Form von Geschlecht wie­der Grund­la­ge sein und Frau und Mut­ter auf der Grund­la­ge von Geschlecht und auf der Grund­la­ge der Geburt der Kin­der meinen.
  • muss die Mut­ter wei­ter­hin die Frau sein, die das Kind gebo­ren hat, um repro­duk­ti­ve Aus­beu­tung in Form von Leih­mut­ter­schaft und Eizel­len­spen­de zu verhindern.
  • muss das Recht der Mut­ter deut­lich gestärkt wer­den gegen­über dem Besitz­recht eines Vaters als rei­nem Erzeuger.
  • muss das geschlech­ter­spe­zi­fi­sche Gewalt- und Miss­brauchs­po­ten­zi­al von Män­nern und Vätern berück­sich­tigt wer­den und Müt­tern und Kin­dern ein beson­ders aus­ge­präg­tes Schutz­recht gegen­über Väter­ge­walt zustehen.
  • müs­sen Müt­ter sich jeder­zeit von gewalt­tä­ti­gen Män­nern und Vätern tren­nen kön­nen und dar­in von der Gemein­schaft geschützt sein.

Der Gesetz­ge­ber muss also die Mut­ter als Ursprung von Leben und von fami­liä­ren Lebens­ge­mein­schaf­ten aner­ken­nen und darf ihr – nicht wie bis­her – das Recht über die Ent­schei­dung über ihr Leben, ihren Kör­per und die durch sie gebo­re­nen Kin­der neh­men, um sie dem Mann und Vater zuzu­wei­sen. Mut­ter ist eine Frau von Geburt eines Kin­des an. „Mater sem­per cer­ta est“. Vater­schaft wird durch Vater­recht zuge­wie­sen. Hier wur­zelt also nicht nur die Benach­tei­li­gung von Müt­tern, son­dern ins­be­son­de­re die mas­si­ve Benach­tei­li­gung les­bi­scher Müt­ter, da der Staat erschwert bis ver­hin­dert, dass Frau­en ohne Män­ner Kin­der haben.

Eine auf die Mut­ter zen­trier­te Recht­spre­chung wür­de vor allem das Wohl­erge­hen von Mut­ter und Kind ins Zen­trum stel­len und der Mut­ter die Ent­schei­dung über­las­sen, wem sie soweit ver­traut, dass sie sie oder ihn an Rech­ten und Pflich­ten bzgl. ihrer Kin­der betei­ligt. Dies gilt ins­be­son­de­re für ihre les­bi­sche Part­ne­rin oder Lebens­ge­mein­schaf­ten von Frau­en. Die­se Rech­te soll­ten gleich­wohl gelöst wer­den kön­nen, wenn nach­voll­zieh­ba­re Grün­de dazu vor­lie­gen. Gewalt- und Miss­brauchs­schutz soll­te grund­sätz­lich vor Umgangs­recht stehen.

Repro­duk­ti­ons­me­di­zin und repro­duk­ti­ve Rechte

Zur Repro­duk­ti­ons­me­di­zin und soge­nann­ten repro­duk­ti­ven Rech­ten stel­len wir vor­aus, dass wir als Femi­nis­tin­nen über­zeugt sind, dass es kein Recht auf Repro­duk­ti­on und kein Recht auf ein Kind gibt. Wie wir in der Stel­lung­nah­me erklärt haben, betrach­ten wir die Repro­duk­ti­ons­me­di­zin als wei­te­re Bas­ti­on, in der Frau­en­kör­per aus­ge­beu­tet wer­den. Wir leh­nen daher das Fort­schrei­ten der Repro­duk­ti­ons­me­di­zin in Form der Indus­tria­li­sie­rung und Kom­mer­zia­li­sie­rung von Schwan­ger­schaft und Geburt ent­schie­den ab.

Dazu gehö­ren zum Beispiel:

Zu Leih­mut­ter­schaft und Eizel­len­spen­de – einer schwe­ren Men­schen­rechts­ver­let­zung – fin­den Sie unse­re Posi­ti­on auf unse­rem Flyer.

Wir kämp­fen statt­des­sen dar­um, dass die Sor­ge der Gemein­schaft um die Mut­ter, die im Grund­ge­setz zuge­si­chert ist, und die kör­per­li­che und sexu­el­le Selbst­be­stim­mung von Frau­en und Müt­tern tat­säch­lich gewähr­leis­tet wird.

Dazu gehö­ren zum Beispiel:

  • Ent­kri­mi­na­li­sie­rung von Schwangerschaftsabbrüchen
  • Prä­ven­ti­on von Gewalt unter der Geburt
  • Siche­rung von Heb­am­men­ver­sor­gung vor, wäh­rend und nach der Geburt
  • Selb­stän­di­ge Wahl des Geburts­orts und kör­per­li­che Selbst­be­stim­mung unter der Geburt
  • Gesi­cher­ter Zugang zu Ver­hü­tung für alle Mäd­chen und Frauen
  • Ent­wick­lung von Ver­hü­tungs­me­tho­den mit Rück­sicht auf Frauengesundheit
  • För­de­rung der For­schung zu Frauengesundheit
  • Erhalt der frau­en- und müt­ter­spe­zi­fi­schen Spra­che rund um Schwan­ger­schaft und Geburt
  • Erhalt von geschlech­ter­spe­zi­fi­schen und män­ner­frei­en Schutz­räu­men für Frau­en und Müt­ter (z.B. Stillgruppen)

Als Femi­nis­tin­nen for­dern wir außer­dem die Ent­stig­ma­ti­sie­rung von Frau­en, die bewusst kin­der- und män­ner­los blei­ben und die Kri­tik der auf männ­li­cher Vor­herr­schaft basie­ren­den Nor­men, wie die Klein­fa­mi­lie und (Zwangs-)Heterosexualität.

 

Bild Lab­rys: Wolf­gang Sau­ber / Eige­nes Werk / CC BY-SA 3.0, Link

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