Frauenboxen bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris
Gastbeitrag der Europäischen Gesellschaft für Geschlechtergerechtigkeit (EGG)
Zuerst erschienen am 5. August 2024 auf der Website von EGG Österreich
Dabei gewesen zu sein ist das einzig noch denkbare Trostpflaster, das sich die Frauen aufkleben können, die im unfairen Kampf unterlagen.
Vor Millionenpublikum geschlagen, beschämt, verletzt, besiegt, tief enttäuscht, auf Social Media verspottet, von vornherein chancenlos gewesen und sich danach noch entschuldigen müssen, weil keine „guten“ Verliererinnen, wie es sich für Frauen gehört. Sie waren nicht artig, wurden unter Druck gesetzt und dann nahm man ihnen noch den letzten Rest Würde und Integrität. Wie tröstlich kann das Olympische Motto noch wirken?
Vorgeschichte
Das Gesamtbild der Situation muss man erst in voller Tragweite erfassen.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) schaffte im Jahr 2000 den sehr einfachen Speichel-Test zur Feststellung des Geschlechts ab, obwohl der Großteil der Sportlerinnen dagegen war. Die Messung von Testosteronwerten wurde 2021 explizit durch eine neue Politik der „Fairness, Inklusion und Antidiskriminierung auf Basis von ‚gender identity‘ und ‚Geschlechtsvariationen‘“ ersetzt – dargelegt in einem widersprüchlichen und inkohärenten Pamphlet.
Damit setzt das IOC die (völlig unverbindlichen) Forderungen der Yogyakarta Prinzipien 2017 um: „Regelungen streichen oder nicht einführen, die Sportlerinnen zwingen oder in anderer Weise unter Druck setzen, sich unnötigen […] Tests bzw. Verfahren auszusetzen, damit sie als Frauen am Sport teilnehmen können“. (Zur Erklärung: bei „Sportlerinnen“ und „Frauen“ sind Männer mitgemeint.)
Einige internationale Sportverbände beschlossen daraufhin eigene Regularien. Sie verpflichteten sich richtigerweise dazu, den Frauensport zu schützen und bereits existierenden Missbrauch abzustellen.
Seither liegt das IOC mit diesen Verbänden im Clinch.
Sonderfall Boxen
Das IOC kündigte 2023 den Vertrag mit der International Boxing Association (IBA) und übernahm alle Richtlinien von ihr – mit Ausnahme der geschlechtsbezogenen Zulassungskriterien.
Bei der IOC Boxing Unit gilt nun geschlechtliche Selbstidentifikation. Frau ist, wer es sagt und aus welchen Gründen auch immer den Geschlechtseintrag „weiblich“ im Reisepass führt.
That’s it.
Somit sind sämtliche Geschlechtsmerkmale und das Aussehen vollkommen belanglos, jeder Test unerwünscht und irrelevant.
Diese Definition von „Frau“ bestätigte Thomas Bach, Präsident des IOC, bei seiner Pressekonferenz am 3. August 2024. Auch hier die Regentschaft der Yogyakarta Prinzipien: Frau sein ist Menschenrecht, das jedem Mann zukommt. Das ist meiner Meinung nach der letzte Beweis institutioneller Gefangenschaft des IOC im Genderismus. Und weil es sich schon bisher so gut bewährt hat, wurde zusätzlich die Nebelwand DSD (Differences of Sexual Development) vorgeschoben.
Dass nun vermutlich Männer mit normal männlichen Testosteronlevels und den bekannten körperlichen Vorteilen gegen Frauen boxen, geht auf die Kappe des IOC und derer, die darauf ihre Geschäftsmodelle aufgebaut haben. Die tagelangen unerträglichen Auseinandersetzungen auf Social Media und die Welle katastrophaler Desinformation ebenso. Den Kritikern wirft man Hatespeech vor, das Billigste wirklich aller möglichen Argumente.
Wir haben keine Nachweise darüber, welchem Geschlecht die Boxer Khelif, Carini, Lin, Turdibekova, Hamori und alle anderen angehören. Die Kalamität, die daraus entstanden ist, ist nicht lediglich ein Versehen des IOC – sie ist genau das, was das IOC will. Das ist Sport, der den erklärten Prinzipien der Inklusion von „gender identity” folgt. Beim Frauenboxbewerb treten Identitäten gegeneinander an. Für Paris hat das IOC sogar ein Glossar für Journalisten herausgegeben, welche Begriffe vermieden werden sollen. Beispielsweise „als Frau geboren“ und „biologisch männlich“.
Sicherheit von Frauen im Sport
Sportlerinnen sollten sich nicht entschuldigen müssen, wenn sie fordern, dass keine Männer in ihren Kategorien antreten. Ihre Sicherheit sollte für das IOC vorderste Priorität haben, nicht nur bei Kontaktsportarten.
Es ist selbst dem IOC klar, dass beispielsweise Frauen- und Männer-Boxen nicht ohne Weiteres zusammengelegt werden können. Doch das Sicherheitsrisiko, von einem aus der Sicht des Männersports zwar mediokren, aber körperlich dennoch überlegenen männlichen Boxer mit oder ohne DSD zusammengeschlagen zu werden, müssen einige Frauen bei den Sommerspielen in Paris widerspruchslos tragen. „Safety, fairness and harassment free environment“ müssen die Frauen liefern, ohne dass es ihnen selbst zukommt. Sie sind Kanonenfutter in der eigenen Geschlechtsklasse und notwendige Statistinnen im Dienste der Inklusion. Im Grund ist olympisches Frauenboxen nach nur zwölf Jahren schon wieder Geschichte.
Ausblick
Fairness im Frauensport setzt geschlechtsspezifische Diskriminierung voraus. Wenn das IOC Self-ID in allen Sportarten durchsetzt, bedeutet das das Ende des Frauen-Elite-Sports. Vielleicht des kompetitiven Frauensports generell, besonders bei Sportarten, bei denen Körpergröße, Körperkraft, Muskelmasse und Ausdauer entscheidend sind. Im Mannschaftssport steigt das Risiko für schwere Verletzungen, wenn Männer in die Teams aufgenommen werden müssen.
Wie sollten Mädchen und junge Frauen Ambitionen entwickeln, wenn sie mit steigender Wahrscheinlichkeit mit einem übermächtigen Gegner konfrontiert werden? Wie sollen sie diesem Verdrängungswettbewerb standhalten?
Das Mittel der Wahl ist die Wieder-Einführung verpflichtender „cheek swabs“ – eine unkomplizierte Methode der Geschlechtsfeststellung, die genau einmal in einer Sportlerkarriere durchgeführt und dokumentiert wird. Doch das lehnt die derzeitige Führungsriege des IOC ab. Ihr Glaube an Self-ID überschreibt alles. Lieber werden Sicherheit und Fairness für Frauen preisgegeben.
Mark Adams, Sprecher des IOC meinte kürzlich: “I hope, we are all agreed we aren’t going to go back to the bad old days of sex testing”, womit er das Schauermärchen von Genitalkontrollen und sonstiger archaischer Methoden wieder einmal vor Journalisten auferstehen ließ und damit in die Köpfe der Medienkonsumenten brachte. Bei angedeuteter Folter werden wir empfindlich. Dabei sind Dopingtests wesentlich invasiver und können jederzeit und immer wieder stattfinden. Auch die Schwangerschaftstests werden unter Aufsicht durchgeführt.
Die Herren Adams und Bach luden im laufenden Skandal rund um die Olympische Disziplin Frauenboxen offiziell all jene ein, die ihnen eine wissenschaftliche Definition davon liefern könnten, was eine Frau ist und wie sich die Determinierung (sic!) in der Praxis umsetzen ließe. Sie würden allen Wissenslieferanten zuhören.
Die Frage nach einer Definition von „Mann“ stellten sie nicht und die anwesenden Journalisten kamen auch nicht auf diesen komplexen Gedanken.
Wir wissen also, wie der Hase läuft: Die Referenzkategorie „Mann” bleibt erhalten.
Nach den Olympischen Spielen ist vor den Olympischen Spielen – in der Zwischenzeit gilt #Save Women’s Sports!
Links
IOC Framework on Fairness, Inclusion and Non-Discrimination on the Basis of Gender Identity and Sex Variations
https://stillmed.olympics.com/media/Documents/Beyond-the-Games/Human-Rights/IOC-Framework-Fairness-Inclusion-Non-discrimination-2021.pdf
Yogyakarta Prinzipien, Zeitschrift DieZukunft
https://diezukunft.at/ist-es-menschenrecht-eine-frau-zu-sein-von-elfi-rometsch/
Mark Adams, Thomas Bach Pressekonferenz IOC, 3.8.2024
https://x.com/iocmedia/status/1819656419592770004
https://x.com/SkyNews/status/1819376761987019020
Janice Turner, The Times, 2.8.2024, A simple cheek swab can protect female boxers
https://archive.ph/xp8yV#selection-2171.0–2171.45
Titelbild von Natalie Runnerstrom auf Unsplash