Zu unserer Stellungnahme zum „Aktionsplan Queer Leben“ führen wir unsere Positionen zum Thema Abstammungs- und Familienrecht und zur Reproduktionsmedizin weiter aus.
Viele von uns sind Mütter und/oder Lesben. Alle sind wir Töchter einer Mutter. Es ist uns daher bewusst, dass Mütter und vor allem lesbische Mütter strukturell benachteiligt und stigmatisiert werden. Als Radikalfeministinnen führen wir diese Benachteiligung auf das patriarchale Stamm- und Vaterrecht zurück, das dem Vater eine bevorzugte Position des Stammhalters in Form von Besitzrechten über Mutter und Kind zusichert – insbesondere wenn das Elternpaar verheiratet ist. Dieses Besitzrecht gilt auch, wenn der Vater nicht mit der Mutter eines Kindes verheiratet ist.
Ein Vater kann Zugriff auf ein Kind verlangen:
- selbst, wenn er als reiner Erzeuger über eine Samenspende fungiert hatte.
- selbst, wenn das Kind durch Vergewaltigung entstanden ist.
- selbst, wenn die Mutter den Vater in der Geburtsurkunde nicht angegeben hat.
- selbst, wenn die Mutter geteiltes Sorgerecht verweigert hatte.
- selbst, wenn der Vater sich erst viele Jahre nach Geburt meldet und keine Beziehung zum Kind aufgebaut hat.
Das heißt: Wir haben ein starkes Vaterrecht in unserer Gesetzgebung verankert, das zulasten von Mutter und Kind geht und dem Vater als reinem Erzeuger zusteht. Dieses Recht hindert eine Mutter und ihr Kind daran, sich aus einer gewalttätigen und missbräuchlichen Beziehung zu befreien. Als verlängerter und erweiterter Arm der Gewalt des Vaters üben Ämter und Gerichte institutionelle Gewalt auf Mutter und Kind nach einer Trennung aus.
Zusätzlich findet in dem Aktionsplan keine klare Definition von Geschlecht statt. Stattdessen wird Geschlecht und Geschlechtsstereotyp bzw. selbst definierte „Geschlechtsidentität“ vermischt. Das geht zulasten der geschlechtsbedingten Rechte von Frauen, Müttern und Lesben, die durch die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW zugesichert sind und zulasten der Rechte von Kindern.
Wird das Abstammungs- und Familienrecht so verändert, dass ihm eine selbst definierte „Geschlechtsidentität“ statt Geschlecht zugrunde liegt, kann ein Mann und Vater sich als Frau und Mutter eintragen lassen – auch in die Geburtsurkunde seiner Kinder – und Mutterschutzrechte beanspruchen. Dies verletzt die Rechte von Mutter und Kind.
Wird das Familienrecht auf bis zu vier Personen erweitert, wird auch hier die Mutter besonders benachteiligt werden, wenn sie sich aus einem toxischen Beziehungsgeflecht befreien möchte mit beispielsweise 3 Männern, von denen 2 sich womöglich zur Frau und Mutter erklären.
Bevor also eine Gesetzesänderung am Abstammungs- und Familienrecht vorgenommen wird, die wirklich Müttern und Lesben zugute käme,
- müssen die frauenfeindlichen Geschlechtsidentitätsgesetze gestrichen werden.
- muss die körperlich-materielle Realität in Form von Geschlecht wieder Grundlage sein und Frau und Mutter auf der Grundlage von Geschlecht und auf der Grundlage der Geburt der Kinder meinen.
- muss die Mutter weiterhin die Frau sein, die das Kind geboren hat, um reproduktive Ausbeutung in Form von Leihmutterschaft und Eizellenspende zu verhindern.
- muss das Recht der Mutter deutlich gestärkt werden gegenüber dem Besitzrecht eines Vaters als reinem Erzeuger.
- muss das geschlechterspezifische Gewalt- und Missbrauchspotenzial von Männern und Vätern berücksichtigt werden und Müttern und Kindern ein besonders ausgeprägtes Schutzrecht gegenüber Vätergewalt zustehen.
- müssen Mütter sich jederzeit von gewalttätigen Männern und Vätern trennen können und darin von der Gemeinschaft geschützt sein.
Der Gesetzgeber muss also die Mutter als Ursprung von Leben und von familiären Lebensgemeinschaften anerkennen und darf ihr – nicht wie bisher – das Recht über die Entscheidung über ihr Leben, ihren Körper und die durch sie geborenen Kinder nehmen, um sie dem Mann und Vater zuzuweisen. Mutter ist eine Frau von Geburt eines Kindes an. „Mater semper certa est“. Vaterschaft wird durch Vaterrecht zugewiesen. Hier wurzelt also nicht nur die Benachteiligung von Müttern, sondern insbesondere die massive Benachteiligung lesbischer Mütter, da der Staat erschwert bis verhindert, dass Frauen ohne Männer Kinder haben.
Eine auf die Mutter zentrierte Rechtsprechung würde vor allem das Wohlergehen von Mutter und Kind ins Zentrum stellen und der Mutter die Entscheidung überlassen, wem sie soweit vertraut, dass sie sie oder ihn an Rechten und Pflichten bzgl. ihrer Kinder beteiligt. Dies gilt insbesondere für ihre lesbische Partnerin oder Lebensgemeinschaften von Frauen. Diese Rechte sollten gleichwohl gelöst werden können, wenn nachvollziehbare Gründe dazu vorliegen. Gewalt- und Missbrauchsschutz sollte grundsätzlich vor Umgangsrecht stehen.
Reproduktionsmedizin und reproduktive Rechte
Zur Reproduktionsmedizin und sogenannten reproduktiven Rechten stellen wir voraus, dass wir als Feministinnen überzeugt sind, dass es kein Recht auf Reproduktion und kein Recht auf ein Kind gibt. Wie wir in der Stellungnahme erklärt haben, betrachten wir die Reproduktionsmedizin als weitere Bastion, in der Frauenkörper ausgebeutet werden. Wir lehnen daher das Fortschreiten der Reproduktionsmedizin in Form der Industrialisierung und Kommerzialisierung von Schwangerschaft und Geburt entschieden ab.
Dazu gehören zum Beispiel:
- künstliche Gebärmütter
- Gebärmuttertransplantation, v.a. in Männerkörper
- Leih- bzw. Mietmutterschaft
- Eizellenspende
- Vorhaben der EU-Kommission zur Elternschaftsurkunde, die die rechtliche Anerkennung der Leihmutterschaft fördert
Zu Leihmutterschaft und Eizellenspende – einer schweren Menschenrechtsverletzung – finden Sie unsere Position auf unserem Flyer.
Wir kämpfen stattdessen darum, dass die Sorge der Gemeinschaft um die Mutter, die im Grundgesetz zugesichert ist, und die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Müttern tatsächlich gewährleistet wird.
Dazu gehören zum Beispiel:
- Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
- Prävention von Gewalt unter der Geburt
- Sicherung von Hebammenversorgung vor, während und nach der Geburt
- Selbständige Wahl des Geburtsorts und körperliche Selbstbestimmung unter der Geburt
- Gesicherter Zugang zu Verhütung für alle Mädchen und Frauen
- Entwicklung von Verhütungsmethoden mit Rücksicht auf Frauengesundheit
- Förderung der Forschung zu Frauengesundheit
- Erhalt der frauen- und mütterspezifischen Sprache rund um Schwangerschaft und Geburt
- Erhalt von geschlechterspezifischen und männerfreien Schutzräumen für Frauen und Mütter (z.B. Stillgruppen)
Als Feministinnen fordern wir außerdem die Entstigmatisierung von Frauen, die bewusst kinder- und männerlos bleiben und die Kritik der auf männlicher Vorherrschaft basierenden Normen, wie die Kleinfamilie und (Zwangs-)Heterosexualität.
Bild Labrys: Wolfgang Sauber / Eigenes Werk / CC BY-SA 3.0, Link