Gastbeitrag Von Dr. Ingeborg Kraus
Zuerst vorgetragen am 24. September 2022 auf der Demonstration „For our sisters“ von Radfem Berlin.
Zum zweiten Mal vorgetragen auf der feministischen Demonstration von Lasst Frauen Sprechen! vor dem Parteitag der Grünen am 14. und 15. Oktober 2022
Zuerst veröffentlicht auf der Website von Dr. Ingeborg Kraus.
Ich bin seit über 20 Jahren Mitglied der Grünen Partei. Eine Partei, die als einzige einen Frauenstatut hat, was bedeutet, dass alle Ämter und Mandate mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen sind. Mindestens jeder zweite Redebeitrag ist für Frauen vorbehalten und sie haben Recht auf mindestens die Hälfte der Redezeit. Es gibt ein Frauenrat, der über die Richtlinien der Frauenpolitik beschließt und den Bundesvorstand berät. Jährlich gibt es eine Bundesfrauenkonferenz, wo die Politik unter dem Aspekt der Frauenförderung debattiert wird.
Mit diesem Frauenstatut waren die Grünen extrem Fortschrittlich und haben sich die Rechtliche Gleichstellung der Frauen in allen Bereichen auf die Fahne geschrieben. Die Grüne Partei ist auch aus einer radikalen Frauenbewegung heraus entstanden. Ihre Beharrlichkeit Frauen in der Politik zu fördern, hat sich auf jeden Fall gelohnt: Insgesamt sind im Bundestag nur 34,8% Frauen vertreten, die Frauenquote bei den Grünen macht aber 59,3% aus, im Gegensatz zur CDU/CSU, die nur 23,4% Frauenanteil im Bundestag aufweisen kann.
Euch Grünen Frauen haben wir zu verdanken, dass Vergewaltigung in der Ehe heute eine Straftat ist, dass LGBT Mainstream wurde, dass das konservative Familienbild ins Wanken gekommen ist, dass die Frauenquote nun auch andere Parteien einführen, etc.
Aber von diesem Weg der konsequenten Frauenförderung seit ihr immer wieder abgekommen. Die neue Generation von Grünen Frauen profitiert von dem Radikalismus der Grünen Frauen der ersten Generation, sie betreiben aber keine Politik, die Frauen gesamtgesellschaftlich fördert. Viele Aspekte Eurer Frauenpolitik hilft euch zwar persönlich gewisse Ämter innerhalb der Partei zu ergattern, sie schadet aber massiv vielen Frauen außerhalb der Partei.
Heute würden die Grünen Frauen der ersten Generation hier an dieser Stelle stehen, an der Seite von Radikal Feministinnen und würden gegen eine Politik protestieren, die sexuelle Gewalt gegen Frauen fördert, ihre Errungenschaften in der Gleichstellung gefährdet und ihnen keine Schutzräume mehr garantiert. Heute würden Frauen wie Petra Kelly hier stehen und demonstrieren und sagen: „Ihr habt uns verraten!“
Bis in die 90er Jahre warben gewisse Gruppen der Grünen dafür, Pädophilie als selbstbestimmte Liebe zu betrachten. Ich selbst weiß, dass diese Bestrebungen insbesondere auch von schwulen Männern aus ging. Die Grünen Frauen haben damals geschwiegen. Die Abgründe sind tief angesichts dieses Versagens: Der Bericht einer Untersuchungskommission spricht von „bis zu 1000 Opfern“[1] die von Grünen Männern ausging. „Wir schämen uns dafür“, sagte Berliner Grünen Chefin Bettina Jarasch. „Das Wegschauen sehen wir als institutionelles Versagen“, fügt sie fort. „Wir bitten im Namen der Berliner Grünen um Entschuldigung“.[2]
Gerade vor dem Hintergrund dieser Geschichte der Grünen im Hinblick auf das Thema sexuelle Gewalt gegenüber Schutzbedürftigen erscheint es unglaublich, dass sie sich immer noch gegen das Nordische Modell[3] positionieren, ein Modell, das sexuelle Gewalt benennt und beenden möchte.
Auf der diesjährigen Tagung des Bündnisses Nordisches Modell, meinte Iris Muth, Leiterin des Referats zur Bekämpfung des Menschenhandels und des Prostituiertenschutzgesetzes vom BMFSFJ, „Die Evaluation des aktuellen Gesetzes zur Prostitution sei Ergebnisoffen.“ Wie bitte? Das von den Grünen eingeführte ProstG im Jahr 2002 hat Deutschland zum Bordell Europas werden lassen! Das weiß mittlerweile die ganze Welt! Schon 5 Jahre nach Einführung des Gesetzes haben Forschungsergebnisse[4] belegt, dass es als gescheitert galt.
Täglich werden tausende Frauen sexuell ausgebeutet, missbraucht, gedemütigt, krank gemacht und traumatisiert. Es gibt zig TV-Reportagen (Beginnend mit „Bordell Deutschland“[5], ZDF, 2017) und Artikel (Bordell Deutschland, Spiegel 2013[6]), die die menschenunwürdigen Verhältnisse in der Prostitution belegen. Es gibt mittlerweile viele Betroffene, Netzwerke von Betroffenen, einen Deutschen Rat von Betroffenen von Menschenhandel, die über die Gewalt sprechen, die sie in der Prostitution erlebt haben. Es gibt Sachbücher, Webseiten, Aussagen von ExpertInnen, Texte, Vorträge und Belege von Kriminalisten, Recherchen über Freier und Freierforen, Petitionen, Appelle, die über die Missstände aufklären. All das wird von Euch Grünen Frauen ignoriert!
Ihr scheint euch offensichtlich nicht besonders daran zu stören, da ihr weiterhin an eurer Linie der selbstbestimmten Sexarbeiterin und Prostitution als Option festhaltet.
Irgendwann wird die Zeit kommen, wo Grüne PolitikerInnen sich auch hinsichtlich des Prostitutionsthemas öffentlich dafür entschuldigen werden müssen, um Verzeihung bitten, das Wegschauen als institutionelles Versagen der Partei bezeichnen und sich dafür schämen werden.
Mit der Bezeichnung von Prostitution als Beruf schützen ihr Grünen Frauen die „Rechte“ eines verschwindend geringen Teils von Frauen, die sagen, dass sie sich gerne prostituieren. Einen viel größeren Teil von Frauen, die auf Basis der Gesetzeslage in das System hineinrutschen – und nur sehr schwer wieder herauskommen – und eine noch viel größere Gruppe, die sich an der sexuellen Ausbeutung von Frauen bereichern oder sich mit der größten Selbstverständlichkeit sexuell befriedigen, nehmt ihr Grünen Frauen damit in Kauf. Sich hier hinter diesen wenigen Frauen zu verstecken, die sich ihrer Aussage nach gerne prostituieren, und daraus eine Legitimation für das ganze Gewerbe abzuleiten ist zynisch. Warum könnt ihr es nicht eingestehen, dass das Gesetz von 2002 komplett falsch war, dadurch katastrophale Zustände für die Frauen entstanden sind und das Gesetz nur den Ausbeutern und Tätern zu gute kam?
Die ehemalige Grüne Frauenpolitische Sprecherin in BaWü Ulrike Maier[7], sagt zurecht, „dass es hier nichts nützt, sich hinter einer Dialektik zu verstecken, die jeder wirtschaftsliberalen Partei gut anstehen würde. Frauen für Geld sexuell zu missbrauchen, die meist vor allem arme Frauen sind, die hier überhaupt keine Chancen haben, ist absolut menschenverachtend. Parteien, die dafür das ökonomische Umfeld schaffen, sind es in diesem Punkt leider auch.“
Und für diejenigen, die Prostitution immer noch als „Beruf“ betrachten und sie mit Friseursalons oder Nagelstudios vergleichen, um Prostitution und Bordelle zu legitimieren, sollten viele einmal einen Blick in Freierforen werfen, so Sandra Norak[8], Juristin und Gründerin des Deutschen Rates von Betroffenen von Menschenhandel.[9]
Hier nur ein Bericht eines Freiers über einen Besuch in einem Bordell (Freudenhaus Hase), das mittlerweile auch das sog. Gütesiegel vom BSD bekommen hat, das u.a. besagen soll, dass die Frauen „selbständig und selbstbewusst“ in einem solchen Bordell mit Gütesiegel arbeiten:
„Zur Action: Nach kurzer Waschung fängt sie an zu Blasen, nicht schlecht, aber viel zu kurz. Mit viel wohlwollen waren das nicht mehr als 2 Minuten! FO fürn Arsch. Naja gut, aber ich habe ja auch nichts gesagt. Dann den kleinen gummiert und gefickt. Erst sie reitend, dann in der Missio. Ohne Beanstandungen meinerseits.
Dann hatte ich aber Bock auf ihren süßen Arsch und führte den ersten Finger ein. Sie: „Willst du Arschficken?“ Aber immer doch. Also Gleitmittel auf Arschloch und Pimmel und langsam in sie eingedrungen. Sie japste und wimmerte zwar, doch hielt trotz immer heftiger werdender Stöße gut dagegen. Ihr jammern und Gestöhne wurde lauter, aber für das mangelhafte Blasen machte ich einfach weiter bis ich fertig war. Fertig war sie dann auch… Sichtlich mitgenommen wusch Sie sich danach am Waschbecken und bot mir noch eine Massage an…“[10]
In der Pressemitteilung des BSD zur Vorstellung des Gütesiegels vom 24.08.2017 wurde das Freudenhaus Hase zitiert: „Freudenhaus Hase: „Vermehrt fragen Kunden, ob die Sexarbeiter*innen selbständig und selbstbewusst arbeiten. Selbstverständlich! Das Gütesiegel gibt jetzt die Bestätigung.“
Solche Systeme aufrecht zu erhalten, die sexuelle Gewalt verschleiern und damit erlauben, kann nicht im Interesse einer Partei sein, die dem Grundgesetz verpflichtet ist und in ihrer Satzung ein Frauenstatut verankert hat.
Es ist gut, dass die Grünen Politikerin Renate Künast erfolgreich gegen Hasskommentare gegen sie im Netz geklagt hat[11]. In der Prostitution erhalten Frauen jedoch keinen Schutz vor solchen Hass-Postings, ob in Freierforen[12] oder auf Bordellseiten. Ganz im Gegenteil, sie werden dort unzählige Male auf übelste Art beschämt und degradiert. Diese Frauen können sich im Gegensatz zu Frau Künast keinen Anwalt leisten, um dagegen vorzugehen. Nein, sie haben Angst vor diesen Männern, die oft gar keinen Hehl daraus machen sie anschließend negativ zu bewerten, wenn die „Dienstleistung“ nicht gut für sie war, mit dem Wissen, dass die Frauen dann von den Bordellbetreibern und Zuhältern mit Druck und Gewalt zu rechnen haben. Diese Frauen haben keinen Schutz. Sie müssen sich größtenteils den Tätern sexuell ausliefern und sich ihrer Macht unterwerfen, in der Hoffnung im Netz nicht öffentlich gedemütigt zu werden.
Dieses Gesetz hat es möglich gemacht, dass auf ganz legale Weise, Organisationen wie „Transsexworks“, die Not von geflüchteten Frauen aus der Ukraine ausnutzt, indem sie ihnen „Hilfe“ mit „Sexarbeit“ und dem Einstieg in die Prostitution anbieten[13]. Das ist kein Fortschritt. Das ist auch keine wertegeleitete feministische Politik. Das ist Verrat an den Frauenrechten!
Die Grünen Frauen tragen eine historische Verantwortung in der Einführung und der Verteidigung eines Gesetzes, das die vulnerabelsten Frauen auf legale Weise in der Prostitution sexuell ausbeuten lässt. Es ist Zeit, dass die Grünen mit dieser Politik aufhören. Es ist Zeit, dass die Grünen sich positionieren und einen Richtungswechsel einschlagen. Mit einer Pro-Prostitutions-Politik katapultieren die Grünen Ihre gesamte Frauenpolitik ins Mittelalter und machen ihre Partei zu einer erfolgreichen Lobby-Gruppe der Freier, Zuhälter und Bordellbetreiber.
Aber anstatt nun endlich Fehler einzugestehen und die Richtung zu wechseln, was machen die Grünen Frauen? Sie tüfteln ein neues Gesetz aus, ohne dessen tiefgreifende negative Folgen für Frauen zu beachten. Mit dem Prostitutionsgesetz haben sie sexuelle Gewalt gegen Frauen in der Prostitution straflos gemacht. Mit der Self-ID, werden sie Frauen unsichtbar machen und alle Gleichstellungs-Errungenschaften sowie Schutzräume für Frauen auflösen.
Stoppt diesen Anti-Feminismus der Grünen Frauen!
Petition von Dr. Ingeborg Kraus gegen Sexkauf
https://www.change.org/p/sexkauf-bestrafen-prostitution-abbauen/u/30975706
Literaturverzeichnis:
[1]https://gruene.berlin/sites/gruene-berlin.de/files/benutzer/henriette.kluge/bericht_komm_aufarbeitung_gruene_berlin_.pdf
[2]Tagesspiegel, Pädophiliebericht des Berliner Landesverbandes. 20.05.2015. https://www.tagesspiegel.de/berlin/paedophiliebericht-des-berliner-landesverbandes-gruenen-vorsitzende-bettina-jarasch-entschuldigt- sich-fuer-institutionelles-versagen/11798992.html
[3]Dr. Ingeborg Kraus, Das Nordische Modell zu Prostitution, ein Perspektivwechsel zum Schutz der Menschenwürde, 2021. https://www.trauma-and-prostitution.eu/wp-content/uploads/2020/09/Das-nordische-Modell-pdf‑1.pdf
[4]Kavemann/Rabe, Das Prostitutionsgesetz. Aktuelle Forschungsergebnisse.2009, Barbara Budrich Verlag.
[5]ZDF-Dokumentation, Bordell Deutschlandvon Christian Stracke, 2017. https://www.spiegel.de/kultur/tv/bordell-deutschland-ueber-prostitution-im-zdf-eine-gewaltige-doku-a-1177716.html
[6]Spiegel, 2013, Bordell Deutschland. Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert.https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2013–22.html
[7]Ulrike Maier hat 2013 den Karlsruher Appell für eine Gesellschaft ohne Prostitution geschrieben. 2005–2010 Frauenpolitische Sprecherin der Grünen in Baden-Württemberg. https://karlsruherappell.com
Auszug:„Der Karlsruher Appell wurde von zwei Frauen verfasst, die es nicht mehr mit ansehen können, wie in einem der reichsten Länder der Welt, in einem Land, das stolz ist auf die Chancengleichheit von Männern und Frauen, in einem Land, in dem Rassismus und die Benachteiligung von Randgruppen verpönt sind, viel zu viele Menschen, die sich ein Leben in Würde wünschen, in der Prostitution landen.
Wir wollen nicht mehr mit ansehen, wie ein Großbordell nach dem anderen entsteht, Zuhälter satte Gewinne einstecken und sich als seriöse Geschäftsleute ausgeben obwohl sie ihr Geld mit der sexuellen Ausbeutung von Menschen verdienen.Wir haben unsere Söhne und Töchter in dem Verständnis großgezogen, dass Frauen und Männer sich auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt begegnen. Wir haben ihnen beigebracht, dass man die Notsituation von Schwächeren nicht ausnutzt. Wir haben ihnen erklärt was Menschen- und Frauenrechte sind. Wir wehren uns dagegen, dass sie jetzt in einer Gesellschaft leben, die den Auswirkungen der Liberalisierung der Prostitution nichts entgegensetzt.“
[8]Die Rechtswissenschaftlerin und Gründerin von Ge-STAC Sandra Norak:https://ge-stac.com/ge-stac-wer-sind-wir/
[9]Ge-STAC: Germany´s Survivors of Trafficking and Exploitation Advisory Council: https://ge-stac.com
[10]Lusthaus, Das lustige Erotikforum ohne Zensur. https://huren-test-forum.lusthaus.cc/showthread.php?t=161949
[11]Frankfurter Rundschau, Künast erzielt Teilerfolge gegen Hasspostings. 22.01.2020. https://www.fr.de/politik/kuenast-urteil-keine-ermittlungen-gegen-richter-anzeige-gegen-anwaeltin-13052895.html
[12]Die unsichtbaren Männer – über 350 Zitate deutscher Freier aus den Jahren des legalisierten Sexkaufs – Fast ausschließlich über legale Prostitutionsstätten. https://dieunsichtbarenmaenner.wordpress.com/tag/freier/
[13] Screenshots von der Seite Transsexworks: https://www.instagram.com/p/CbasdSLMGOw/?utm_source=ig_web_copy_link