Ein Gastbeitrag von Gunda Schumann, Vorständin von LAZ reloaded e.V.
Schreibt Frank-Walter Steinmeier!
Der Bundespräsident ist nun in der Verantwortung für die rechtliche Prüfung und den Stopp des SBGG!
Über 100 engagierte Frauen und unterstützende Männer nahmen am 12. April 2024 mit Erfolg an einer gemeinsamen Protestkundgebung teil gegen die Verabschiedung des SBGG (des sog. „Selbstbestimmungsgetz“) im Rahmen der 2./3. Lesung durch den Bundestag.
Einige kamen von weither, aus den unterschiedlichsten Gruppen. Die Organisatorinnen waren Frauenheldinnen e.V., Frauen sprechen (LSquad Berlin), Initiative „Lasst Frauen Sprechen!“ und das Lesbische Aktionszentrum (LAZ) reloaded e.V. Teilnehmerinnen kamen von der Feministischen Partei DIE FRAUEN, den Initiativen „Lesben gegen rechts“, RadFem Kollektiv Berlin, Feministisches Aktionsbündnis FAB, SAFIA e.V., WDI Deutschland u.a.m.
Das SBGG, welches sich explizit mit dem nahezu hürdelosen Geschlechtseintragswechsel befasst, wurde erwartungsgemäß von der Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Damit haben diese ParlamentarierInnen zum Ausdruck gebracht, dass ihnen die Achtung von grundgesetzlich garantierten Frauenrechten egal ist!
Unser aller Wille: Wir machen gemeinsam weiter!
Wie während des Protestes von Teilnehmerinnen gefordert, folgt hier ein Schreiben an den Bundespräsidenten, Herr Dr. Frank-Walter Steinmeier, in dem die offensichtliche Verfassungswidrigkeit des SBGG gerügt wird, verbunden mit der Bitte an ihn, das Gesetz deshalb nicht zu unterzeichnen. Dieses wird voraussichtlich am 17. Mai vom Bundesrat akzeptiert und Dr. Steinmeier danach zur Unterzeichnung vorgelegt.
Der Clou dabei ist: Der Bundespräsident hat als oberster Repräsentant des Staates eine eigene inhaltliche Prüfkompetenz in Bezug auf die Vereinbarkeit des zu unterzeichnenden Gesetzes u.a. mit den Grundrechten in unserer Verfassung. Eine solche Ablehnung der Ausfertigung eines verabschiedeten Gesetzes kommt zwar selten vor, wurde aber bereits von mehreren Bundespräsidenten angewendet! Er hat es also noch in der Hand, dass das frauenverachtende Gesetz gestoppt wird.
Bitte unterzeichnet den anhängenden Brief an den Bundespräsidenten und sendet ihn rechtzeitig ab!
Titelbild: Bodow, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Anschrift des Bundespräsidenten
An den Bundespräsidenten
Herrn Dr. Frank-Walter Steinmeier
Schloss Bellevue Spreeweg 1
10557 Berlin
bundespraesidialamt@bpra.bund.de
Der Brief an den Bundespräsidenten
DAS „SELBSTBESTIMMUNGSGESETZ“ (SBGG) IST VERFASSUNGSWIDRIG
BITTE UNTERZEICHNEN SIE DAS GESETZ NICHT
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
am 12. April 2024 hat der Bundestag trotz massiver Kritik von Frauen- und Elterninitiativen sowie vielen Abgeordneten der Oppositionsparteien das sog. Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) verabschiedet. Ich bitte Sie in Ihrer Eigenschaft als Bundespräsident mit der Ihrem Amt innewohnenden verfassungsrechtlichen Prüfkompetenz das Gesetz nicht zu unterzeichnen.
Nach dem SBGG wird Geschlecht trotz der rechtlich ungesicherten und naturwissenschaftlich unhaltbaren Ausgangsposition mit „Geschlechtsidentität“ gleichgesetzt, indem die gesetzlichen Hürden für den jährlich möglichen Wechsel des Geschlechtseintrags für jedefrau und jedermann mit einer behaupteten „abweichenden Geschlechtsidentität“ beseitigt werden.
Dies impliziert:
- Die Verwendung der kaum abgrenzbaren unbestimmten Rechtsbegriffe „Geschlechts-identität“ und „nichtbinär“ für eine beliebige Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister verstößt gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenbestimmtheit und Normenklarheit und hat damit Missbrauchspotential.
Die absehbaren Folgen für Frauen sowie Eingriffe in die Rechte von Eltern und die drakonischen Bußgeldandrohungen für alle bei Verletzung des Offenbarungsverbots sind gravierend:
- Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister verliert seine Beweisfunktion. Damit wird die Durchsetzung geschlechtsbasierter Rechte von Frauen und Mädchen nach Art. 3 Abs. (2) Grundgesetz erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht:
- Die vorgesehenen Regelungen für geschlechtsspezifische Räume und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen und Mädchen (Hausrecht, Länderkompetenz, Strafrecht, private Satzungshoheit) sind für deren Schutz und gesellschaftliche Teilhabe ungeeignet.
- Rechte für Frauen bei der Besetzung von quotierten Stellen im Berufsleben, B. die Positionen der Gleichstellungsbeauftragten, ihrer Stellvertreterinnen und Vertrauensfrauen, sind fortan mit biologischen Männern zu teilen, welche einen weiblichen Geschlechtseintrag im Personenstandsregister haben.
- Das Gleichberechtigungsgebot und der besondere Diskriminierungsschutz nach 3 Abs. (2) und (3) GG werden ausgehöhlt, indem es auf Männer mit „weiblicher Geschlechtsidentität“ ausgeweitet wird.
- Statistiken über die Verteilung der biologischen Geschlechter werden unbrauchbar, zumindest erheblich verzerrt. Außerdem werden auf der Statistik beruhende Prognosen, Gutachten und Maßnahmen gegen Diskriminierung erschwert oder unmöglich gemacht.
- Elternrechte nach Art. 6 Abs. (2) Satz 1 GG und das Kindeswohl werden verletzt:
- Die Ersetzung der Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern zum Antrag auf Änderung des Geschlechtseintrags einer/eines Minderjährigen ab 14 Jahren durch das Familiengericht ohne zwingende Einholung zweier jugendpsychiatrischer Gutachten schränkt das Elternrecht nach Art. 6 Abs. (2) Satz 1 GG unverhältnismäßig ein und verstößt gegen das Kindeswohl.
- Die vom Geschlechtseintrag abhängige Bestimmung der „Vaterrolle“ in § 1592 Nr. 1 und 2 BGB verstößt gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien der Normenwahrheit und Normenklarheit und gegen das Kindeswohl.
- Sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot
- Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. (1) Satz 1 und 2 GG) werden unverhältnismäßig beschnitten.
- Die Ausnahmen vom Offenbarungsverbot sind im Einzelnen nicht immer nachvollziehbar und verstoßen gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien der Normenwahrheit und Normenklarheit.
- Tatbestandliche Unklarheiten bei offenkundigem Augenschein (Hausrecht, Meinungsäußerung) verstoßen gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien der Normenwahrheit und Normenklarheit und, da sie besonders zu Lasten der Frauen gehen, gegen Art. 3 Abs. (2), Abs. (3) und Art. 5 Abs. (1) GG.
- Der „Chilling-Effekt“ (Abschreckungseffekt) der staatlichen Maßnahme einer hohen Bußgeldbewehrung führt zu Selbstzensur, Einschüchterung und zu konformistischem Verhalten. Diese ist mit Art. 5 Abs. (1) GG nicht vereinbar, weil sie einen Angriff auf die Demokratie
- Der Abruf sowie der Austausch der nach dem Geschlechtseintragswechsel geänderten Daten zwischen Behörden und die Information namentlich genannter Sicherheitsbehörden waren als Ausnahme vom Offenbarungsverbot gedacht. Diese Regelung wurde durch den Änderungsantrag des Familienausschusses wieder gestrichen. Missbrauch durch Identitätsverschleierung ist damit ohne weiteres möglich.
Zur Vermeidung von Grundrechtskollisionen von Rechten für Personen mit abweichender Geschlechtsidentität (Art. 2 Abs. (1) i.V.m. Art. 1 Abs. (1)) und denen von Frauen, Mädchen und Eltern (Art. 3 Abs. (2), (3) und Art. 6 Abs. (2) GG) ist der Gesetzgeber verpflichtet, nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der widerstreitenden Grundrechte zu schaffen und die Austragung möglicher Konflikte nicht „dem freien Spiel der Kräfte“, d.h., den Rechtsverhältnissen der BürgerInnen untereinander – und letztendlich der Justiz – zu überlassen.
Um Art. 3 Abs. (2) GG eine maximale Wirkung zu verschaffen, wäre es erforderlich, die Validität des Geschlechtseintrags zum Schutz von Frauen und Mädchen durch Beibehaltung des rechtsgestaltenden Verfahrens nach § 4 Abs. 3 TSG aufrechtzuerhalten und garantierte und angemessene Ausnahmeregelungen für Frauen zur Gewährleistung von autonomen und Schutzräumen, zur beruflichen Förderung und zur gesellschaftlichen Teilhabe zu schaffen.
All das hat der Gesetzgeber unterlassen. Gesetzgeberisches Untätigbleiben verstößt zudem gegen das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie dringend, dieses verfassungswidrige Gesetz nicht zu unterzeichnen.
Weitere Gründe für die Verfassungswidrigkeit sind in dem Rechtsgutachten von Rechtsanwältin Gunda Schumann, M.C.J., LL.M., erläutert, welches während der Verbändeanhörung auch auf der Website des BMFSFJ gelistet war. Sie können das Gutachten und Erläuterungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23.08.2023 sowie der aktuellen Änderungsvorschläge des Familienausschusses vom 10.04.2024 hier [1], bzw. hier [2] abrufen.
Hochachtungsvoll,
[Vorname, Name]
[1] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/227180/c223f114874cb13b5ab5e96ee4baae82/laz-data.pdf
[2] https://www.laz-reloaded.de/der-letzte-coup-verschaerfende-und-verschleiernde-aenderungen-des- sbgg/