Das Prin­zip der altru­is­ti­schen Leihmutterschaft

20. Okt 2023

Autorin: Pani K.

Ich begin­ne mit einem Zitat von Anni­ka Ross, aus ihrem Emma-Arti­kel vom 14. März 2022:

„Wäh­rend ande­re Frau­en aus der Ukrai­ne flüch­ten, müs­sen sie in den Luft­schutz­bun­kern Kiews aus­har­ren: Leihmütter.

Bio­Tex­Com, der größ­te Anbie­ter für Repro­duk­ti­ons­me­di­zin, warn­te auf Face­book sei­ne deut­schen Kun­den davor, „ihre“ Leih­mut­ter aus dem Kriegs­land holen zu wol­len: „Die Geburt des Kin­des außer­halb der Ukrai­ne ist nicht legal. Die Leih­mut­ter wird als Mut­ter gel­ten und der Ver­such der Über­ga­be des Kin­des als Kin­der­han­del bezeich­net. Sie wer­den nie als Eltern des Kin­des anerkannt.“

Kin­der­han­del, Men­schen­han­del – auf ein­mal wird das also in der Bran­che klar benannt. Bei rund 50.000 Euro liegt der Start­preis für ein Baby aus der Ukraine;…“

 

Anni­ka Ross, „Die Leih­müt­ter von Kiew“, Emma, 03.2022, https://t1p.de/tlykx

Das Vor­ha­ben der Bun­des­re­gie­rung einer Lega­li­sie­rung der altru­is­ti­schen Leih­mut­ter­schaft ver­spricht die Lösung aller ethi­schen Pro­ble­me im Ver­gleich zur ihrer kom­mer­zi­el­len Vari­an­te: Kein Preis, kein Han­del – kei­ne Pro­ble­me! Doch das Ver­spre­chen wird nicht ein­ge­löst – auch ohne den ver­trag­li­chen Kauf­preis blei­ben wei­te­re Ver­let­zun­gen der Men­schen-Rech­te von Frau­en und Kin­dern bestehen.

Eine Schwan­ger­schaft ist kein Spa­zier­gang, son­dern eine lan­ge und gefähr­li­che Extrem-Belas­tung für eine Frau, sowohl kör­per­lich als auch psy­chisch. Es ist immer eine „Rei­se ins Unbe­kann­te“, denn jede Schwan­ger­schaft ist ein­zig­ar­tig und kann schwe­re gesund­heit­li­che Fol­gen für Mut­ter und Kind haben, ja sogar Lebens­ge­fahr oder Tod bedeu­ten. Und so eine Schwan­ger­schaft im Auf­trag der Wunsch-Eltern ist kei­ne Aus­nah­me. Im Gegen­teil: Sol­che Schwan­ger­schaf­ten ber­gen noch mehr Risi­ken und Kom­pli­ka­tio­nen für schwan­ge­re Frau­en. Ihr Recht auf kör­per­li­che Unver­sehrt­heit und sogar ihr Recht auf Leben wer­den dadurch aufs Spiel gesetzt, mas­siv bedroht und ver­letzt. Die­se Men­schen zah­len so den maxi­ma­len Preis.

Zu beden­ken ist auch, dass fast alle Leih­müt­ter bereits selbst Kin­der haben, deren Rech­te eben­falls geschützt wer­den müs­sen. Etwa das Recht der Kin­der auf ihre Mut­ter, die für das Eltern­glück der Auf­trag­ge­ber ster­ben könn­te. In einem sol­chen Fall wür­de das Ergeb­nis der indu­zier­ten Schwan­ger­schaft so aus­se­hen: Auf der einen Sei­te – ein oder meh­re­re ver­wais­te Kin­der, auf der ande­ren – glück­li­che Wunsch-Eltern mit dem „bestell­ten“ Neu­ge­bo­re­nen. Das ist ein rea­les Risi­ko, dem betrof­fe­ne Kin­der bewusst und bil­li­gend aus­ge­setzt wer­den. Auch hier: eine enor­me Zumu­tung und ein hoher Preis, selbst für die­se klei­nen Menschen.

Doch das Recht auf eige­ne bio­lo­gi­sche Repro­duk­ti­on, auch „repro­duk­ti­ve Gerech­tig­keit“ genannt, und der uner­füll­te Kin­der­wunsch der Bestell-Eltern bekom­men viel Gewicht und wer­den wei­ter­hin hoch­ge­hal­ten. Das Recht auf Repro­duk­ti­on wird dem Recht auf Leben gleich­ge­stellt – obwohl es offen­sicht­lich ist, dass Eltern­schaft nur eine Fra­ge der eige­nen Lebens­qua­li­tät und nicht der Exis­tenz dar­stellt. Die­se Rech­te sind grund­sätz­lich unvergleichbar!

Die­se „repro­duk­ti­ve Gerech­tig­keit“ hört sich wirk­lich gut an – meint jedoch das Recht und die Frei­heit „eine Leih­mut­ter zu nut­zen und sich maß­ge­schnei­der­te Kin­der anzueignen“.

Sind das Gerech­tig­keit und Frei­heit? Oder Kolo­ni­sie­rung und Skla­ve­rei? Oder ganz banal: Ver­ach­tung und Ent­mensch­li­chung von Frau­en und Kin­dern, ihre „Ver­ding­li­chung“ bis ins Extrem? Ohne Unter­schied in wel­chem Land und unter wel­chen sozia­len Bedin­gun­gen, ob in den USA, der Ukrai­ne, Indi­en oder Deutsch­land, das Prin­zip der Leih­mut­ter­schaft, auch der altru­is­ti­schen, bleibt über­all gleich: Dein Leben – für mein Glück!

Frei­heit ohne Gleich­heit [der Macht] bedeu­tet: die Star­ken bestim­men das Spiel – das sag­te die Sozio­lo­gin Eva Ill­ouz vor eini­gen Jah­ren in einem Interview.

Frei­heit ohne not­wen­di­ge Res­sour­cen, Rech­te und Schutz, ist die Frei­heit der Mäch­ti­gen und Rei­chen – das sage ich, aus eige­ner Erfah­rung als Pro­sti­tu­ti­ons-Über­le­ben­de und Opfer des Men­schen-Han­dels. Denn Frei­heit kann Aus­beu­tung, Gewalt und Unter­drü­ckung sogar recht­fer­ti­gen: „Sie woll­te es doch selbst so!“ – eine ewi­ge Legi­ti­ma­ti­on der Täter.

Frau­en in der Repro­duk­ti­ons-Indus­trie wer­den als Organ­lie­fe­ran­tin­nen und Brut­ma­schi­nen behan­delt – legi­tim und legal. Die­se Form bio­lo­gi­scher Aus­beu­tung weib­li­cher Kör­per ist struk­tu­rell iden­tisch mit der Aus­beu­tung im Sys­tem der Pro­sti­tu­ti­on und der Sex-Indus­trie ins­ge­samt. Das Uti­li­sie­ren und Kom­mo­di­fi­zie­ren der Frau­en in die­sen Berei­chen wer­den in Kauf genom­men und nicht als Ver­bre­chen gegen die Men­schen­wür­de erkannt und bekämpft.

Die­se glo­ba­len und wach­sen­den Pro­zes­se der rest­lo­sen Aus­plün­de­rung und Ver­wer­tung weib­li­cher Men­schen, ja ihre „Ver-Zweckung“, sind nicht etwa Fehl­ent­wick­lun­gen, son­dern fol­ge­rich­ti­ge Kon­se­quen­zen der welt­wei­ten neo­li­be­ra­len Gesell­schafts­ord­nung, von der Eva Ill­ouz sprach. Wo Men­schen bloß ein Mit­tel zum Zweck sind, dort wer­den Men­schen-Rech­te zu einem Han­dels- oder Kon­sum­gut und ver­kom­men zu einem Pri­vi­leg von Wenigen.

Ich schlie­ße mit einem Zitat von Aude Mir­co­vic, Direk­to­rin des Kol­lek­tivs „Juris­ten für die Kindheit“:

„Kein juris­ti­scher Rah­men wird jemals ange­mes­sen sein, weil nicht nur die­se oder jene Moda­li­tät der Leih­mut­ter­schaft ein Pro­blem dar­stellt, son­dern das Prin­zip der Leih­mut­ter­schaft selbst, das gegen die Men­schen­wür­de ver­stößt: Kei­ne Rege­lung kann die Tat­sa­che akzep­ta­bel machen, dass eine Frau dazu benutzt wird, ein Kind aus­zu­tra­gen, das nicht ihr eige­nes ist. Kei­ne Rege­lung kann die Tat­sa­che akzep­ta­bel machen, dass ein Kind ver­trag­lich bestellt und aus­ge­hän­digt wird.“ 

 

Fran­zis­ka Har­ter, „Inter­na­tio­na­le Exper­ten wol­len Leih­mut­ter­schaft welt­weit abschaf­fen“, Die Tages­post, 06.03.2023, https://t1p.de/zzlra

Kurz gesagt: Men­schen­wür­de ist unan­tast­bar. Das Prin­zip der Leih-Mut­ter­schaft ver­stößt gegen die Menschenwürde.

Leih-Mut­ter­schaft ist Men­schen-Han­del. Stoppt Kauf-Eltern!

Stoppt Men­schen-Han­del – weltweit!

© Pani K. – Netz­werk Ella – 2023

Bild: Joe Flood – The Hand­maids Tale | Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0 Deed

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