Das Selbstbestimmungsgesetz in Spanien – Rede zur Demonstration am 4.3.23 in München

12. März 2023

Rede von Montserrat Varela zur Demonstration für Frauenrechte am 4. März 2023 in München

In dieser Rede möchte ich drei Themen kurz anreißen: Wann das spanische Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet wurde und was es beinhaltet, wie wurde die Verabschiedung so eines Gesetzes möglich und schließlich drei Beispiele aus der spanischen Zivilbevölkerung, welche die zugrundeliegende Ideologie und ihre fatalen Folgen bekämpfen. Vielleicht können wir hier in Deutschland daraus lernen?

1. Wann wurde es verabschiedet

In Spanien gilt ein Selbstbestimmungsgesetz seit dem 16. Februar dieses Jahres und ist seit dem 1. März offiziell im Amtsblatt veröffentlicht.

Das bedeutet, dass sich ab jetzt jeder Mann ab 16 Jahren ohne Einschränkungen als „Frau“ im Personenstrandregister, also im Bürgerbüro, eintragen lassen kann. Er muss nur noch drei Monate warten und dann noch einmal diesen Wechsel vor dem Amt bestätigen.

Das Gesetz sieht ein Gesamtpaket von Maßnahmen vor: Aktionsplan in den Schulen, genauso wie hier, Übernahme der Hormonkosten vom öffentlichen Gesundheitssystem für „Transmenschen“, verpflichtende Schulungen für das medizinische Personal, ein nationales Register gegen „hate speech“, das zwischen dem Zivil- und dem Strafrecht angesiedelt wird usw. (ähnlich wie das, was die Antonio Amadeo Stiftung, wo man alles Mögliche melden kann, aber nicht Frauenfeindlichkeit). Und natürlich auch Bußgelder, in drei Stufen gestaffelt bis zu 150.000 Euro.

Dieses hohe Bußgeld ist keine Übertreibung. Es gibt einen Präzedenzfall. Da es in Spanien in der Mehrheit der sogenannten Autonomen Regionen schon regionale Self-ID-Gesetze seit dem Jahr 2012 gibt, ist das Thema in der breiten Öffentlichkeit und in den Medien viel präsenter als hier in Deutschland. Aber auch die offene Verfolgung von Aktivisten.

Letztes Jahr wurde zum Beispiel viel über die Psychologin Carola López Moya berichtet, weil sie von einem Transaktivisten-Verein angezeigt wurde. Sie hatte sich auf Twitter gegen Geschlechtsstereotype geäußert, und dass sie zu überwinden seien, anstatt den Körper kaputt zu machen. Sie wurde zu einer Summe von bis zu 120.000 Euro nach dem andalusischen Self-ID-Gesetz angeklagt. Das Verfahren wurde am Ende eingestellt, aber das zeigt die Wirkung dieses Gesetzes: Zensur und Verfolgung von Andersdenkenden, vor allem Frauen, und für Fachleute Zerstörung ihrer beruflichen Existenz.

Ein weiterer Fall von Verfolgung und Zensur sind die Lesungen des Buches „Niemand wird im falschen Körper geboren“ (Nadie nace en un cuerpo equivocado) der Psychologen José Errasti und Marino Pérez Álvarez. In Buchhandlungen und sogar in einigen Universitäten mussten Lesungen abgesagt werden. Einmal haben Aktivisten sogar damit gedroht, eine Buchhandlung anzuzünden, mit den Teilnehmern darin. Das war letztes Jahr in Barcelona.

2. Gesamtpaket und Strategie der Self-ID-Gesetzgebung

Wie in anderen Ländern schon passiert, wurde das Gesetz zusammen mit anderen Maßnahmen zugunsten von Menschenrechten verabschiedet, wie zum Beispiel das Operationsverbot von intersexuellen Neugeborenen, oder mit einem sogenannten Menstruationsurlaub für Frauen mit schmerzhaften Perioden, oder dass lesbische Paare ihre Kinder eintragen dürfen, ohne dass sie verheiratet sein müssen.

Diese Kopplung der sogenannten Selbstbestimmung mit anderen, wichtigen Menschenrechten ist typisch für alle verabschiedeten Self-ID-Gesetze weltweit und geht auf die sogenannten Iglyo-Dentons-Papiere zurück. Diese Handreichung hat den Titel „Only adults? Good practices in legal gender recongnition for youth“ und ist im Internet frei verfügbar.

In Deutschland wird diese Strategie nicht fruchten. Ein Verbot gegen Operationen bei Neugeborenen wurde schon 2020 verabschiedet. Man versucht es deswegen über das Abstammungsrecht und auch, was noch gefährlicher ist, über eine Änderung des Artikel 3 des Grundgesetzes, bei der die „Geschlechtsidentität“, also ein subjektiver Glaube ohne Substanz, geschützt wäre.

Eine weitere Empfehlung ist die Vermeidung einer übermäßigen Berichterstattung.

Diese Strategie ist aber in Spanien trotz der Verabschiedung gescheitert. Zum Beispiel wurde bekannt, dass die Beauftragte gegen Gewalt an Frauen der UNO, Reem Alsalem, kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes ankündigte, dass sie dieses Gesetz nicht gutheißt. Auf Twitter sagte sie ganz klar, dass es kein Menschenrecht sei, eine „Geschlechtsidentität zu bekommen durch eine unregulierte Selbstidentifikation“. Das ist genau was das spanische Ley Trans möglich macht und was die deutsche Regierung ebenfalls vorhat.

3. Widerstand aus der Zivilgesellschaft

Der Widerstand in Spanien ist aber sehr groß und dauert seit Jahren an. Ich stelle nun kurz ein großes Netzwerk, eine neue Partei sowie einen Eltern-Verein vor.

Woman’s Declaration Spanien, zusammen mit Confluencia Movimiento Feminista – ein landesweites Netzwerk von Feministinnen

Im Dezember 2022 und Februar 2023 haben sie zwei Expertenanhörungen im spanischen Parlament und im Senat veranstaltet. Es haben Psychiater, Psychologen, Lehrervereinigungen sowie Feministinnen das Wort ergriffen und die Presse berichtete. Denn die spanische Regierung hatte bei der Verabschiedung des Gesetzes keine Experten angehört und die Debatte im Parlament sogar unterbunden, durch den Trick eines „Beschleunigungsverfahrens“.

Die Einzige, die es eilig hatte, war die Ministerin Irene Montero, denn dieses Jahr sind Neuwahlen.

Dann hat sich eine neue Partei gebildet, Feministas al Congreso, die sich im Januar 2022 vorstellte.

Sie formierte sich aus ehemaligen Mitgliedern aus der sozialdemokratischen Partei (PSOE) und der Partei Unidas Podemos (Koalition aus der ehemaligen Izquierda Unida, ähnlich wie Die Linke, und Podemos). Feministas al Congreso ist u.a. gegen das („Ley trans“) oder gegen die Legalisierung der Leihmutterschaft. Ihr Ziel ist es, bei den nächsten Wahlen (2023) auf nationaler Ebene anzutreten.

Und als drittes Beispiel:

Verein Amanda, unter dem sich etwa 300 Familien gesammelt haben und eine gute Pressearbeit sowie Vernetzung mit der Politik bis hin zum europäischen Parlament betreibt. Am 8. Oktober 2022 hat Amanda einen Kongress mit der Ärztekammer in Madrid veranstaltet sowie eine anschließende Demonstration. Sie stehen auch in Kontakt zu den Elternbeiträten in den Schulen im gesamten Land, um gegen die massive Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen im Schulunterricht vorzugehen.

Im Mai dieses Jahres sind Kommunalwahlen fast überall im Land. Das wird ein Testballon sein für die Koalitionsregierung, etwas ähnlich wie hier bei den Landtagswahlen. Im Herbst sind dann Neuwahlen. Die Oppositionspartei PP hat angekündigt, das Gesetz abzuschaffen, sollte sie die Wahlen gewinnen. Das Schreckgespenst, dass die „Rechten gewinnen können“, zieht nicht mehr. Denn Frauen wissen wo sie stehen.

Wir stehen weder links, wo man uns sagt, wir wären bloß eine Idee im Kopf eines Mannes, noch rechts, wo man uns sagt, unser Schicksal sei die Küche. Wir stehen VORN.

Denn:

Frau sein ist kein Kostüm,

Frau sein ist kein Gefühl

Die Frauen, die sind wir,

und jetzt reden wir hier!

Montserrat Varela Navarro, spanische und deutsche Bürgerin

Beruflich übersetzt und lektoriert sie, privat ist sie Mutter zweier Kinder und Feministin seit sie denken kann.

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