Rede von Susette Schubert
auf der Veranstaltung „75 Jahre Grundgesetz:
Wir ehren Dr. Elisabeth Selbert“
am 25. Mai 2024 in Kassel
Diese Rede ist inspiriert von „Dr. Elisabeth Selberts Blick in den frauenbewegten Osten im Nachkriegsdeutschland“.
Dr. Grit Bühler hat einen Gastbeitragmit gleichnamigem Titel für die Initiative „Lasst Frauen sprechen“ verfasst, basierend auf ihrer eigenen Forschung zu den Müttern der Gleichberechtigung in der DDR, denn wir feiern nicht nur eines, sondern ZWEI Jubiläen, gleich ZWEI Gruppen von „Müttern“ der Gleichberechtigung:
Liebe Schwestern und Verbündete,
heute stehen wir hier, um die leidenschaftliche Geschichte der Frauen zu feiern. Eine Geschichte, die oft übersehen wurde, aber unaufhaltsam und unbeirrt weitergeführt wurde. Es ist an der Zeit, dass wir die Stimmen derjenigen erheben, die die Wege der Gleichberechtigung mit ihrem Mut und ihrer unerschütterlichen Entschlossenheit geebnet haben.
Dr. Elisabeth Selbert schenkte uns nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihren unbeugsamen Glauben an die Gleichberechtigung. Aber lasst uns heute auch die Mütter der Gleichberechtigung im Osten Deutschlands ehren. Sie waren es, die in den frühen Tagen der DDR den Funken der Emanzipation hochhielten und den Weg für eine Zukunft ebneten, in der Frauen nicht mehr im Schatten stehen mussten.
Lasst uns über die Gründerinnen des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFB) sprechen – Frauen wie Käthe Kern, Helene Beer, Annemarie Durand-Wever und Maria Rentmeister, übrigens die Tante von der vielen von uns bekannten Professorin Cäcilia (Cillie) Rentmeister. Diese und andere Frauen formten in der schweren Nachkriegszeit eine Bewegung von zweihunderttausend Frauen, die nicht nur Grenzen überwand, sondern auch patriarchale Strukturen herausforderte und veränderte. Ihre Manifeste waren nicht nur Worte auf Papier, sondern ein unbedingter Wille nach Veränderung, der bis heute widerhallt.
Es waren ihr Mut und ihr Engagement, der die Verfassung der DDR, Artikel 7, prägte und die Gleichberechtigung der Geschlechter fest in ihre Grundlage einband. Sie kämpften gegen vielfältige Widerstände, und dennoch hielten sie stand. Ihre Arbeit war nicht nur revolutionär, sondern auch visionär. Sie stritten für eine Welt, in der Frauen nicht nur gleichberechtigt sind, sondern auch die gleichen Chancen haben wie Männer.
Die Endfassung des Artikel 7 der DDR-Verfassung lautete (1) „Mann und Frau sind gleichberechtigt“ und (2) „Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“ Dieser Zusatz fand sich erst nach 1990 in der gesamtdeutschen Verfassung.
Lasst uns nicht vergessen, dass ihr feministisches Erbe über die Grenzen hinausreicht. Die Worte, die sie sprachen, und die Taten, die sie vollbrachten, inspirierten Frauen auf der ganzen Welt. In der Bundesrepublik Deutschland hörte Elisabeth Selbert ihren Ruf. Ihre Arbeit im Parlamentarischen Rat ebnete den Weg für Artikel 3 des Grundgesetzes, der besagt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
Wir stehen heute auf den Schultern dieser mutigen Frauen, und es liegt an uns, ihr Erbe zu ehren und weiterzuführen. Lasst uns ihre Geschichten erzählen und ihre Visionen in die Zukunft tragen. Lasst uns für eine Welt kämpfen, in der Gleichberechtigung nicht nur ein Traum ist, sondern eine Realität für alle Frauen auf der ganzen Welt.
Lasst uns vereint und niemals ruhen, bis jede Frau die gleichen Rechte und Chancen hat wie jeder Mann. Vielen Dank!